Hallo Ihr lieben Leute,

die "Raub-Fischer" von Galapagos, die an der Kette hingen, haben uns in Isabela ganz lieb verabschiedet und uns alle guten Wuensche mitgegeben. Jetzt duempeln wir auf der laengsten Etappe unserer Reise (3024 nm) so langsam vor uns hin, aber das wussten wir, denn die Gegend um Galapagos hat ja keinen oder nur wenig Wind. Morgens gibt es immer noch Fruehnebel, da heisst es Ausschau halten. Was war das? Direkt vor uns lichtet sich die Wand und keine 200 m entfernt sichten wir fuer ein paar Sekunden ein Segelboot. Dann faellt der Vorhang wieder. Nun ist ganz besondere Wachsamkeit geboten geboten. Eine halbe Stunde haelt sich der Nebel noch, dann loest er sich auf. Wir trauen unseren Augen nicht - der Segler ist weg! Es gibt keine Erklaerung dafuer. Bei der Weite und klaren Sicht muesste er zu sehen sein. Wahrscheinlich war es ein Fliegender Hollaender mit seinen Untoten an Bord. Sowas soll es geben. Manchmal hoeren wir unterwegs auch den Nabuko-Chor aus der Bilge (Propellerwelle) oder das Klagelied einer Seejungfrau im Rigg oder das Rufen der Sirenen (vom Autopiloten). Alle Seeleute koennen das bestaetigen - es ist kein Seemannsgarn, aber vielleicht der Beginn des Wahnsinns, der viele Seeleute befaellt.

Die Zeit an Bord vergeht schnell. Der Wind hat aufgefrischt und wir fliegen mit 6 bis 9 Knoten dahin. Unsere taegliche Routine wie Kochen, Abwaschen, Segel rauf und Segel runter, haelt uns auf Trab. Sogar drei Funktermine um 9 Uhr und 18 Uhr mit befreundeten Hollaendern mit Motorschaden haben wir einzuhalten. Um 17 Uhr spitzen wir immer noch mal gerne in eine Funkrunde aus Panama. Die Kroenung des Tages ist das Reinholen unserer emails. Voller Spannung werden sie gelesen und nochmal gelesen, beredet und dann wollen sie schliesslich auch beantwortet werden. Ja, und so ganz nebenbei muessen wir auch noch wegen der Nachtwachen Schlaf aufholen. Die Nachtwachen werden diesmal nicht ganz so genau genommen. Es kommt kaum  zu Kontakten mit anderen Schiffen. Nur einmal haben sich zwei Seeleute auf der Funke ueber ihr Gehalt und die Hindernisse (Segler), die wie wir mitten auf dem Pazifik genau zwischen den Containerschiffen bei tiefster Nacht durch's Wasser schieben, unterhalten. Das eine Containerschiff kam aus Panama und das andere aus Korea. Ist interessant zu belauschen, was fuer Probleme Seeleute haben und die Nacht geht schneller rum.

1000 Meilen vor den Marquesas haengen wir in der zweiten Flaute. Unser Blister, ein Leichtwind-Vorsegel, zieht uns noch gerade langsam voran. Zwei wunderschoene blau-gelbe Dolphins begleiten uns schon seit Stunden im Kielwasser. Nicht zu verwechseln mit den Delphinen. Sonst lassen sich kaum Fische blicken. Die letzten Wale wurden kurz hinter Galapagos gesichtet. Es wird Nacht und der Wind ist ganz eingeschlafen. Die Segel werden geborgen und es wird beigedreht. Unsere schweizer Freunde von LOMA liegen nur eine Meile entfernt. Sowas nennt man "Ankern mitten auf dem Pazifik"! Ich bin dann auch sanft und seelig auf meiner Wache eingeschlummert. In meinen suessen Traeumen hoere ich ueber Seefunk Wolfgang von LOMA rufen: "TRUANT, schaut mal raus, vor euch steht ein Schiff!" Solche Sprueche kenn ich doch. Da wir immer im VHF-Bereich beieinander sind, necken wir uns oft ueber die Funke, wecken uns morgens mit Liedern oder Geschichten oder erzaehlen abwechselnd Witze. - Aber jetzt ist Nacht! Ich melde mich verschlafen ueber den Aether und von Wolfgang kommt: "Jetzt habe ich dich erwischt, du sollst doch Wache halten! Schau mal raus!" Mir sind vor Schreck fast die Augen rausgefallen. Direkt neben uns steht ein Coastguardschiff und strahlt mich mit vollem Scheinwerfer an wie ein Nachtgespenst (ich im Nachthemd). Wolfgang lacht sich eins auf der Funke. Langsam zieht das Schiff weiter zu LOMA und auch dort bleibt es eine Weile stehen um dann zu verschwinden. Trotz Funkanruf auf Kanal 16 haben sie sich nicht zu erkennen gegeben. Jetzt ist Schluss mit dem "Wach - Schlaf"!

Der Wind hat sich zurueck gemeldet und in rascher Fahrt geht es dem Ziel entgegen. Wie lange wir schon unterwegs sind, weiss ich nicht genau. Die Wochentage kramen wir ab und an aus einer Tabletten-Tabelle, damit wir sonntags unser Ei kriegen. Es gibt draussen wieder was zu sehen. Die Wellen haben weisse Schaumkronen und um uns herum spielt eine Delphin-Schule. Keine Klasse, eine ganze Schule. Das Meer brodelt nur so. Hier springen welche im Zweier- oder Dreierpack, dort waelzen sie sich durchs Wasser, andere toben hintereinander her und die Alten sind am Keckern. Es ist immer wieder ein faszinierendes Schauspiel.

Am darauf folgenden Morgen ist die See etwas ruhiger. Es ist schon frueh sehr heiss, kein Woelkchen truebt den Himmel. Uli macht mich auf ein Objekt im Wasser aufmerksam. Sieht aus wie ein Baumstumpf mit zwei Aesten. Ich habe Langeweile und beobachte mit dem Fernglas, was es ist. Es kommt auf 200 m naeher und der veraenderte Lichteinfall laesst erkennen, was es ist. Ich bekomme Gaensehaut! Es ist eine havarierte Segelyacht, deren Heck unter Wasser ist und der Bug mit Bugsprit und der Mast ragen schraeg aus dem Wasser. Die Yacht ist schon total bewachsen, Leben ist nicht auszumachen. Ein beklemmender Anblick. Wir sind in der naechsten Zeit ganz still. Jeder haengt seinen Gedanken nach und moechte sie am liebsten verdraengen. Gefahr gibt es ueberall und unsere TRUANT wird uns sicher ueber alle Weltmeere bringen.

500 nm vor unserem Ziel die letzte Flaute, die wir ganz tapfer und mit viel Humor durchstehen. Am 29. Seetag ist Land in Sicht. Man kann es nicht glauben, dass wir wegen solch eines Hubbels von Land solche koerperlichen Strapazen auf uns genommen haben. 30 Tage, einen ganzen Monat ohne Auslauf in solch einer kleinen "Schachtel" auf See! Und trotzdem war es ueberhaupt nicht langweilig.

Hohe schroffe Berge mit Steinsaeulen und alles ueberzogen mit dunkelgruenem Urwald erheben sich vor uns. Eine Augenweise, dieses intensive Gruen. Der Anblick ist traumhaft schoen und doch geheimnisvoll und gruselig. Es passt zu den Kannibalen im Ruhestand. Mit dem letzten Sonnenstrahl - wie immer - faellt unser Anker in der engen Bucht von Fatu Hiva. - Wir sind im Suedseeparadies gesund und heil angekommen und koennen ausschlafen ohne Wache.

Ganz liebe erschoepfte Gruesse von uns