Hallo ihr Lieben,

ganz schnell muss ich meinen Bericht ueber die Erlebnisse hier los werden, sonst platze ich. Wir sind zur Zeit bei den Kuna-Indianern auf den San Blas-Inseln vor der Kueste Panamas. Gottseidank haben wir Iridium (Satelliten-Telefon), sonst waeren wir fuer Monate abgeschnitten von der Welt. Aber diese Unberuehrtheit bei den Indianern ist ein Traum. Ueber unsere erste Begegnung habe ich einen kleinen Bericht verfasst, den ich Euch jetzt schicke.

Nachdem wir in die Provinz San Blas in Obaldia einklariert und am 3.11. den Unabhaengigkeitstag von Columbien mitgefeiert hatten, sind wir im totalen Indianerland gelandet. In dem kleinen Dorf Carreta. Eine schoene vertraeumte Bucht mit Palmen am Strand und zig kleinen Bambushuetten mit Palmenwedeldach. Kein Strom, keine Autos, nichts. Kokospalmen, Bananenstauden und Orangen ist alles, was wir bisher gesehen haben. Die Anlandung heute morgen am Strand vor dem Dorf war umwerfend. Aus allen Ecken kamen Kinder und haben uns geholfen das Beiboot an Land zu schieben. Als Dankeschoen gab es Bonbons. Fatal! Es kamen wohl hundert kleine Indianer angeschossen. Bonbons, Bonbons. Mein Haufen schrumpfte schneller, als ich gucken konnte. Im Tross sind wir dann durchs Dorf geschoben (worden) und haben den Haeuptling gesucht, der leider unterwegs war. Also muessen wir spaeter nochmal anlanden und uns anmelden. Verstaendigen koennen wir uns nur mit Haenden und Fuessen und ein paar Brocken spanisch. Kuna koennen wir leider nicht. Die Meute Kinder hat uns dann das Dorf gezeigt. Nach Bekanntmachung mit dem Lehrer in der Schule haben wir einen Fussball ueberreicht. Es ist gerade Unterricht. Die alten Frauen des Dorfes lernen spanisch. Kinder werden nur im Alter von 11 und 12 Jahren unterrichtet. Das reicht, denn in der Regel heiraten die Jungs mit 15 Jahren kleine Maedchen ab 12 und mit 17 Jahren sind sie schon zweifacher Vater. Wahnsinn! Die europaeischen Sitten aelter zu heiraten und z.B. nur 2 Kinder koennen sie nicht begreifen.

Die Indianer dort sind sehr kleine Menschen. Alle kleiner als ich, meistens einen ganzen Kopf. Vielleicht koennt Ihr es Euch vorstellen, wie es ist, so mitten zwischen diesen kleinen vielen Menschen, die auch immer wieder versuchen meine helle Haut anzufassen. Im Tross geht es dann zum Strand zurueck und alle haben uns wieder mit dem Dingi geholfen und gewunken. Auf Truant waren wir von diesem Spiessrutenlauf ganz erschlagen. Waehrend wir so langsam wieder verschnaufen im Schiff, dauert es nicht lang und drei Jungen kommen im Einbaum und rufen: "Marita, Bonbon, Bonbon." Ich musste mir was einfallen lassen, sonst werde ich sie nie wieder los. Nach einigem Hin und Her haben sie mich verstanden. Fisch gegen Bonbon! Lange Gesichter! Einer hat dann eine Idee. Sie kommen zurueck und er schenkt mir seine Kette, die aus Muscheln gefertigt und sehr schoen ist. Also Kette gegen Bonbon. Ein paar Minuten spaeter kommen zwei neue Kunas mit Orangen. Also Orangen gegen Bonbon. Dann kommt ein erwachsener Mann mit Kindern und Opa im Einbaum angepaddelt. Bananen gegen Nescafe (angebrochene Dose). Wir brauchen also keinen Supermarkt und ich bin fest davon ueberzeugt, dass wir morgen Mittag Fisch haben bzw. essen. Mal sehen, vielleicht Fisch gegen 1 Pfund Mehl.

Hier gibt es einfach nichts Kuenstliches und Kompliziertes sondern nur das menschliche Dasein ohne falschen Beigeschmack. Eben hat Andrej uns ueber Kurzwelle angefunkt. Die Verbindung wird langsam schlechter, er ist schon zu weit weg von uns. In gut 10 Tagen ist er in Japan und fliegt nach Hause. Uli ist draussen mit der Angel zugange, vielleicht fangen wir ja selber was. Zwischendrin ist noch Siesta und die Tage vergehen sehr schnell. Uns bekommt die Ruhe gut nach dem ganzen Stress auf der Werft in Curacao. Immer wenn wir glaubten, jetzt wird es ruhiger, kam wieder was Neues. So meine Lieben, wir muessen uns wieder klar machen fuer den Besuch beim Haeuptling, sonst wird es zu spaet. Die Neugier der Leute wird ja wohl etwas nachgelassen haben. Von morgens 7 Uhr bis 17.30 ist der Besuch im Dorf gestattet. In der uebrigen Zeit ist bitte Boardingtime, hat man uns angedeutet. Da es um 18 Uhr Nacht und im Dorf dann tief schwarz ist, kann es uns ganz recht sein.

Nach langer Ueberlegung haben wir dem Haeuptling am Nachmittag als Gastgeschenk eine Kerze (da kein Strom) und einen Niro-Angelhaken (zum Ueberleben, symbolisch) mitgenommen. Wie ueblich steht das Empfangskommitee schon am Strand als wir anlanden und mit riesigem Gefolge geht es zum Dorfchef, genannt Sahila. Er sitzt mit seinem Aeltestenrat vor einer Huette und wir duerfen auf einer kleinen Bank vor ihm Platz nehmen. Das Geschenk kommt gut an und nach laengerer Beratung mit dem Aeltestenrat haben wir 5 Dollar in die Dorfkasse zu zahlen. Danach entschwindet der hohe Mann zur täglichen Ratssitzung. Gesprochen hat er mit uns nur ueber einen Dritten. Als Haeuptling hat man seine Sprecher.

Der Weg zum Dingi ist dann wieder von Kindern gesaeumt. Natuerlich helfen sie es ins Wasser zu kriegen und dabei bin ich durch die Brandung zweimal unters Boot gekommen. Die Kleinen sind vor Entsetzen wie gelaehmt und als ich lachend und prustend und mit nassen Klamotten wieder hoch komme, entspannen sie sich gerade mal, aber lachen ist nicht drin. Sie dachten wohl ich ertrinke. An Bord haben wir es uns dann gemuetlich gemacht.

Am naechsten strahlend schoenen Morgen trauen wir unseren Augen nicht. Draussen auf dem Meer findet ein Wettfischen statt. Zig kleine Einbaeume schaukeln hin und her. Der Preis: Bonbon. Der erste Junge kommt mit 4 Fischen, also 4 Bonbons, dann der zweite, noch zwei Fische gegen 2 Bonbons und dann noch welche und noch welche, bis wir passen muessen. Einen Berg Fische haben wir nun zu verdruecken. Also ausnehmen, schuppen und reinigen und brutzeln. Lecker!!! - mit Reis und Knoblauch-Dill-Sosse. Abends dann die Reste noch kalt. Seitdem werden wir taeglich mit Fisch versorgt und mir fallen die tollsten Rezepte ein mit dem, was wir so haben. Unsere Grundnahrungsmittel sind zur Zeit Fisch und Bananen.

Beim naechsten Rundgang durchs Dorf, natuerlich immer mit Begleitung, werden wir in eine Huette eingeladen und es gibt zur Begruessung einen Becher Kakao. Lecker, allerdings aus dem angerosteten Becher, aus dem vermutlich alles und von Jedem getrunken wird. Ablehnen ist jedoch eine Beleidigung. Der befuerchtete Durchfall danach bleibt aus. Unsere Maegen haben sich wohl schon angepasst. Ein weiterer Besuch bei dem Haeuptling zuhause ist auch ein Erlebnis. Als Gastgeschenk habe ich Kaffee mitgenommen (sein Lieblingsgetraenk) und prompt spricht er persoenlich mit uns spanisch, wir dürfen ihn Jimmy nennen und er beschenkt uns noch mit Orangen und Bananen (fast eine ganz Staude!). Nur unseren Wunsch, auf den Friedhof (Cementerio) zu duerfen, lehnt er ab mit der Begruendung,dass dort oben in den Bergen die kolumbianischen Guerilleros waeren. Zu gefaehrlich!!! Also gehen wir mit unserem indianischen Begleiter spazieren, auf dem Dorfplatz beim Freiluft-Friseur vorbei, an fussballspielenden Kindern und schliesslich auf den Weg vom Dorf weg. Es ist der Weg, der zum Klo der Honoratioren des Dorfes fuehrt (200 m vom Dorf entfernt - Plumpsklo ueber dem Meer). Die "normale Bevoelkerung" verrichtet ihr Geschaeft auf der anderen Seite des Dorfes am Strand. Um dort hinzukommen muss man huefthoch durch einen Fluss waten, in dem es nachtaktive Cocodrillos (spanisch) gibt. Und man muss aufpassen, dass man keine Pipa (Kokosnuss) auf den Kopf bekommt, sonst landet man im Cementerio. Verletzt sein darf man hier nicht, es gibt keinen Arzt, keine Krankenschwester, nur eine Frau, die die Kinder auf die Welt holt und, der Kuna zeigt mit dem Finger himmelwaerts, ihr Gott. Es ist hier alles so einfach und unkompliziert, unglaublich. Ich bekomme von jungen Maennern Blumen ins Haar gesteckt, werde geneckt und sowas mir in meinem hohen Alter.

Ach ja, fast haette ich vergessen von dem kleinen Supermarkt zu berichten. Supermarkt ist zuviel gesagt. Das Sortiment in der Huette besteht vielleicht aus 20 Sachen. Zwiebeln, Brot, Zigaretten, Bonbon und ein paar kleinen Konserven. Die Frauen sitzen im Laden und naehen wunderschoene Molas. Morgen will ich ein paar tauschen. Gekauft habe ich in dem Laden unter anderem eine Tuete Bonbon, die ich nicht mal bis zur Ladentuer retten kann. Jung und Alt kreischt vor Freude und wir ziehen uns lachend aufs Boot zurueck. Gut dass wir Truant als Rueckzugsmoeglichkeit haben.

Am Tag darauf haben wir hier Gewitter. Es regnet zeitweise wie aus Kuebeln, als wenn jemand eine Schleuse geoeffnet hat (es ist noch Regenzeit). Natuerlich heisst es fuer uns dann Klamotten runter, Seife raus und kostenlos duschen. Herrlich, denn der Regen ist richtig kalt und wir duerfen mal ein wenig frieren, nachdem das Wasser 30 Grad hat und keine Abkuehlung bringt. In saemtlichen Eimern habe ich Regenwasser aufgefangen und dann Waesche gewaschen. Im Fluss habe ich Angst vor den Cocodrillos. Mein Tagesablauf ist wie bei den Frauen hier. Fruehstueck machen, abwaschen und dann den Fisch, der nach und nach eintrudelt, ausnehmen und schuppen. Das dauert. Dann geht es wieder ins Dorf mit Gefolge und Gegacker, danach Fisch essen und es ist Abend. Uli ist jede freie Minute am spanisch lernen wie ein Verrueckter, damit wir uns wenigstens einigermassen verstaendigen koennen. Ich habe keine Zeit dazu und begnuege mich mit den Worten der Umgangssprache. Am leichtesten kommt mir das Wort "Bela" ueber die Lippen = "alle-alle", wenn die Bonbontuete leer ist.

Beim letzten Einkauf haben wir 2 Tueten "Bombo" gekauft. Diesmal war Uli dran mit verteilen, weil ich der Sache nicht mehr Herr wurde. Uli laesst Oma, Opa, Mama, Papa und alle Kinder anstehen im Laden und wer einen Bonbon bekommen hat musste raus. Herrlich!!! Selbst der Haeuptling hat sich mit angestellt. Aber so bleibt noch die halbe Tuete fast uebrig. Bei mir hatten alle zwei- und mehrmal zugelangt. Eine Tuete koennen wir somit ganz retten. Weil das Brot noch nicht fertig ist, setzen wir uns (natuerlich mit Gefolge) noch ein wenig an den Strand. Was macht man so die ganze Zeit mit einem Stall voller Kinder? Also bringt Uli ihnen bei, wie man es mit den Fingerverschraenkungen zur Nase macht und wie man ein Band hinter den Ruecken kriegt ohne loszulassen. Begeistert machen alle mit und die Zeit vergeht wie im Fluge. Waehrend Uli mit den Kindern spielt, habe ich eine Entdeckung gemacht, die wir hoffentlich nicht als Geschenk mitnehmen. Die kleinen Indianermaedchen sitzen im Sand und lausen sich genuesslich gegenseitig und zeigen mir stolz die suessen kleinen Laeuse. Mir war gar nicht so wohl! Sollten wir welche mitnehmen, schneiden wir uns eine totale Glatze, was anderes geht nicht. Die Kakerlaken an Bord haben wir wahrscheinlich im Griff. Es hat sich keine mehr gezeigt. Hier im Laden rennen die in den Regalen rum und werden mit eingepackt. Bevor ich was mit ins Boot nehme, wird jetzt erstmal alles genauestens untersucht.

Das Palavern (auf spanisch) klappt immer besser. Dabei wird auch erzaehlt, dass es hier noch sehr grosse Tiger gibt, die auch gefangen werden, wenn sie zu nah ans Dorf kommen. Da wird mir ganz anders, wenn ich durch den Dschungel gehe. Uli hat heute auf einer Karte den Jungens gezeigt, wo Alemana liegt und Panama. Man, waren die beeindruckt. Sowas wussten sie nicht und konnten nicht genug gucken. Einem Jungen (vielleicht auch Ehemann/Vater) habe ich eine Kerze fuer die Langusten geschenkt und er fragt mich ganz vorsichtig, ob man das essen kann. Wir haben ihm dann gezeigt, was man mit einer Kerze macht und er ist strahlend damit abgezogen. Hoffentlich hat der Haeuptling seine Kerze nicht gegessen.....

Der letzte Weg zum Dingi mit "unserem Indianer", sein Name ist Benancio, der uns oefter begleitet hatte, bricht an. In den naechsten Stunden an Bord folgen Abschiedbesuche. Die einen bringen Orangen (wir haben jetzt einen Eimer voll fuer unsere Weiterreise), die anderen Langusten und wieder andere Zuckerrohrstangen (wie man da reinbeissen soll, wissen wir nicht). Eben, kurz vor der Dunkelheit kommt Benancio noch mit 4 geraeucherten Fischen (sie sind noch warm). Geht alles mit auf Reisen, denn wir sind so satt vom heutigen Fisch. Natuerlich werden die Sachen nicht nur abgegeben. Jeder will eben noch an Bord und das Boot von innen sehen. Am meisten begeistert sie das Klo und der absolute Renner ist der Spiegel.

Jetzt sind wir erschlagen und es ist Ruhe an Bord. Bei den Kunas hat sich der Pastor angesagt und die Strohhuettenkirche wird voll sein, denn niemand ist zu sehen. Schoen war es hier. Ein kleines Paradies, das wir schon verloren glaubten. Morgen frueh segeln wir ein paar Meilen weiter zum naechsten Abenteuer. Adios Carreta!
 

Bis zur naechsten email alles Liebe von

Uli und Marita