Ihr Lieben,

Ich sitze im Salon und weiss nicht so recht, was ich von der Situation halten soll. Wir werden von der freiwilligen Seenotrettung in Richtung Richards Bay abgeschleppt. Sind wir jetzt in Seenot???  Gut, das Wetter war seit 4 Tagen schlecht, es bretterte mit 35 Knoten und Truant schlingerte durch die Wellen, so dass der Autopilot nicht mehr mitspielte und wir uns eine Nacht lang alle halbe Stunde am Ruder abwechseln mussten. Gestern meinte Uli noch anhand der etwas kabbeligeren See, dass wir wohl schon den sonst so gefürchteten Agulhas-Strom hinter uns hätten. Leider erwischte uns der aber erst letzte Nacht ca. 10 Meilen vor der Küste, die Hafenlichter waren schon zu sehen. Mit 6 Knoten Querdrift kam Truant keinen Millimeter mehr voran und trotz Segel und heisslaufendem Motor trieben wir nach Süden, Richtung Durban in ein aufziehendes Tiefdruckgebiet. Bei Strom gegen Wind bauen sich da schnell haushohe Wellen auf. Als wir es mit einer Wende auf dem anderen Bug versuchen wollten, riss die Reffleine zum Kuttersegel und Uli musste auf allen Vieren angeleint mit Schwimmweste und Kopflampe nach vorn robben und das Segel per Hand einrollen. Gegen 4.30 Uhr in der Morgendämmerung hat er dann Richards Bay Port Control über Funk gefragt, ob zufaellig ein Schlepper frei wäre, der uns reinschleppen könnte. Ja da wäre einer, die Mannschaft sei verständigt und wäre in ca. einer Stunde bei uns. Der Schlepper entpuppte sich dann als der Seenotrettungskreuzer vor uns, der da gerade schwer mit seiner Last gegen den Strom stampft.

Glücklich im Hafen, drückt uns der Vormann der 6-köpfigen Crew nur eine Kontonummer in die Hand. "Es hat uns viel Spass gemacht, mal keine Trockenuebung, natuerlich nehmen wir kein Geld dafuer, aber ihr koennt unserer Organisation etwas spenden, auch eine Kiste Bier nehmen wir nicht." Weiter klaert man uns darueber auf, dass der gefaehrliche Agulhas-Strom sich staendig verlagert und er diesmal direkt vor der Tuer von Richards Bay seinen Weg gesucht hat. Unsere "Retter" verabschieden sich und wir sind baff ueber soviel Freundlichkeit. Das werden wir mit einer dicken Spende belohnen. Nun heisst es das Schiff aufklaren und einklarieren, obwohl wir hundemuede sind. Und irgendwie sind wir auch zu ueberdreht, um zu schlafen. Also tun wir erstmal das Naheliegendste, es ist fast Mittag, und gehen in ein Restaurant. Rund um den Yachthafen gibt es mindestens zehn davon. Ein dickes Steak und ein grosses gezapftes Bier sind faellig. Langsam faellt die Anspannung ab und wir müssen sogar schmunzeln, denn das ganze Manöver lief ueber Kanal 16, den Funkkanal, den auch fast alle Segler  staendig hören. Nun weiss jeder Bescheid, die Truant ist eingelaufen worden.

Zwei Herren vom Nebentisch lächeln immer wieder freundlich zu uns herueber und irgendwann fragt der eine wie ein englischer Gentleman: "Mein Freund hier glaubt, dass Sie nicht aus Suedafrika sind." Daraus ergibt sich schnell ein laengeres Gespraech und die zwei frotzeln sich dabei immer wieder an. Zum Schiessen. Sie sind uns sehr sympathisch und erinnern uns an Walldorf und Staedtler aus der Muppets Show. Es sind Arie und Nardus, zwei alteingesessene Südafrikaner mit holländischem Ursprung. Gleich fuer den naechsten Tag verabreden wir uns. Sie wollen uns mit ihrem Auto die Umgebung zeigen und wo wir einkaufen koennen und eine Telefonkarte bekommen. So schnell und bequem hat sich uns noch kein Land erschlossen. Ab sofort versuessen uns die zwei mit ihren Frauen das Leben. Sie versorgen uns mit Insidertipps, machen mit uns Besorgungen und laden in ihre Haeuser ein. Wir feiern zusammen Goldene Hochzeit, eine Einweihungsparty fuer den restaurierten Swimmingpool und sind eingeladen zu einer suedafrikanischen Grillparty. An Bord kommen wir zu nichts. Wir geniessen das suesse Leben in diesem Schlemmerparadies. Die Steaks und der Wein gehören zum Besten, was die Welt zu bieten hat, und das preiswert dank günstigem Währungskurs.

Obwohl auch hier staendig Affen morgens durch die Marina streunen, wollen wir doch ein paar mehr wilde Tiere sehen. Wir besuchen einen Nationalpark, in dem die Big Five und viele andere Tiere mehr heimisch sind. Fantastisch, sie in freier Wildbahn zu beobachten. Uebernachtet wird ganz zuenftig in einem Safari-Zelt am Rande eines Camps. Hinter uns ist nur noch ein Zaun, bestehend aus 2 elektrischen Draehten in 3 m Hoehe, der die Elefanten abhalten soll. Genau richtig fuer uns, denn ein bisschen Abenteuer braucht der Mensch. Nach einem leckeren Picknick auf der Veranda legen wir uns satt und zufrieden in das schoenes grosses Bett. Sachen sind alle in Sicherheit gebracht wegen der Affen und der Reissverschluss vom Zelt ist zu. Ab 22 Uhr wird der Strom im Camp abgeschaltet, dann ist totale Finsternis. Wir schlafen gleich ein, denn solch ein Tag in der Hitze und voller Aufregung wegen der Tiere macht platt. Irgendwann in der stockschwarzen Nacht werden wir dennoch geweckt von einem lauten Knacken und Schmatzen. Gaensehaut. Leise fluester ich auf meinen Skipper ein, er soll doch mal vorsichtig mit der Taschenlampe rausleuchten.  Mein Beschuetzer schwingt sich todesmutig aus dem Bett, schleicht zur Zelttuer und spaeht raus. So kann er nichts ausmachen ausser total schwarzer Nacht. Dann schaltet er die Taschenlampe ein und sieht die Konturen und gluehende Kohleaugenpaare von mehreren Hyaenen, die sich genuesslich an einem Kadaver verlustieren. Fuer mich macht sich sofort im Kopf breit, wo Hyaenen sind, da sind auch Loewen, oder andersherum. Na ja, herrlich, wir sind in Afrika.

Am naechsten Morgen sitzen wir um 5 Uhr wieder in unserem kleinen Auto und fahren auf Pirsch. Es ist ein Erlebnis, das man nicht beschreiben kann. Man muss es selber erfahren haben. Traumhaft. Es ist bezaubernd, wie die Zebras schmusen, die Antilopen die Naehe zu den Gnus suchen und die Nashoerner miteinander raufen. Fast haetten zwei uns gerammt, wir koennen nur noch mit Hupen und Gasgeben fluechten. Einem riesigen Elefantenbullen weichen wir respektvoll rueckwaerts aus und lassen ihm den Vortritt. Der macht unseren kleinen Jockel mit einem Fuß platt.

Also Ihr Landratten, Suedafrika ist ein Urlaubstipp von uns. Auch die weniger Abenteuerlustigen unter Euch koennen behuetet schoene Touren machen.

Wir wollen eigentlich schon weiter gesegelt sein, aber der Familienanschluss und die schoenen interessanten Ziele halten uns. Ein Zuludorf haben uns unsere Freunde ans Herz gelegt. Also hin zu diesen huebschen hochgewachsenen und stolzen Menschen. Man macht uns vertraut mit der althergebrachten Lebensweise, wie man Koerner mahlt auf Steinen, wie und was gekocht wird und wie man Starkbier braut. Frueher wurde auch Marihuana aus einer Pfeife geraucht, das ist heute aber verboten. Deshalb war Ulis Pfeife auch fuer den Haeuptling von grossem Interesse. Mich interessieren mehr der Medizinmann und die Kraeuterfrau. Die Zulumaenner haben meist 3 Frauen. Als Begruendung hierfuer sagen sie, eine Frau ist zu stark fuer einen Mann. Zwei Frauen erst recht, denn die tun sich gegen ihn zusammen. Aber drei Frauen, das ist ideal. Wenn sich naemlich zwei Frauen zusammen tun, stellt sich die dritte Frau voll auf die Seite des Mannes und damit ist die Sache einigermaßen ausgewogen. Wie sieht es aus mit den europaeischen Maennern, moechtet Ihr Zulus sein? Zum Abschluss tanzen die Dorfbewohner fuer uns - denken wir. In Wirklichkeit tanzen sie fuer sich selber. Der Spass dabei kennt keine Grenzen. Die Trommeln wummen, der Rauch des Feuers lullt ein und der Rhythmus laesst auch uns ein wenig wegtreten. Einfach toll. Von soviel Lebensfreude ist unsere zivilisierte Welt meilenweit entfernt.

Der naechste Tripp geht ins kleine Koenigreich Swaziland. Der Grenzuebergang erinnert an die Schikanen von Berlin-Dreilinden. Swaziland ist so ganz anders als Suedafrika. Ein erstes Auto begegnet uns nach ca. 30 Minuten. Die gute Teerstrasse ist leer; die wunderschoene Landschaft ebenfalls. Hier und da eine kleine Ansammlung von Lehmhuetten oder Rundbauten, alles in Naturfarben. Kein buntes Tuepfelchen lenkt das Auge ab. Ich komme mir vor wie in einem vergessenen Maerchenland, fehlt nur noch Dornroeschen. Dann treffen wir auf einen alten Mann, der einen Baumstamm schleppt. Er macht uns klar, dass er hungrig ist. Leider haben wir nichts anzubieten ausser alte Klamotten, die er freudig nach Hause traegt.

Nach einigen Stunden naehern wir uns der Hauptstadt und dem Wohnsitz des Koenigs. Die Menschen und Autos werden mehr. In den Bergen finden wir eine schoene Uebernachtungsmoeglichkeit in einem eigenen Haeuschen. Bei soviel neuen Eindruecken ist es herrlich, sich ganz entspannt vor die Huette zu setzen, gut in einem Restaurant zu essen, damit der naechste Tag voller Energie in Angriff genommen werden kann. Auf dem Plan stehen die groessten Granitmonolithen der Welt und die aeltesten Hoehlenmalereien. Bombastisch und tief beeindruckend. Auf den Satteln der Berge haben wir rechts und links einen atemberaubenden Fernblick auf wunderschöne Landschaften. Irgendwann sind wir von der Hauptstrasse ab und die sandige Nebenstrasse endet auf einem Schotterweg in der Einsamkeit. Ein kleiner zerlumpter Junge (ca. 6/7 Jahre alt) steht am Wegesrand, der mein Herz ruehrt. Anhalten und  aussteigen, um ihm ein kleines Geschenk zu geben. ......und dann bin ich verbluefft. Der Kleine rennt wie von Furien gehetzt weg und bleibt in sicherer Entfernung stehen. Mit nichts laesst er sich locken, deshalb lege ich die Bonbons und kleinen Autos auf einen grossen Stein. Just im selben Moment tauchen zwei junge Maenner auf und der Kleine rennt wie ein total veraengstigtes Tier wieder in unsere Richtung. Ich steige schnell  ins Auto ein um ihm den Weg frei zu machen. Er schnappt sich die Sachen und ist im Nu im Busch verschwunden. Die beiden Maenner hinter ihm her.  Wir koennen nur hoffen, dass der Kleine  flinker ist als die Maenner und er seine Beute behalten kann. Lange haengen wir unseren Gedanken nach wegen des Kindes. Moeglich, dass es sich um eine Aids-Waise handelt, die sich alleine durchschlagen muss. Viele Kinder haben keine Familie mehr und werden manchmal von alten Frauen betreut. Durch die hohe Aidsrate blutet das Land sprichwoertlich aus. Es gibt ebenso viele Krankenstationen wie Schulen in den Doerfern. Ueberall markieren rote Aids-Schleifen die Schilder.

Auf kleinen Nebenstrassen durch wunderschoene Landschaften mit wieder wenigen ganz herzlichen Menschen verlassen wir Swaziland. Zurueck in Richards Bay wird uns erst klar, wie reich Südafrika dagegen ist. Man glaubt fast, in Europa zu sein. In den Townships vor den Staedten gibt es dennoch viel  Armut. Es sind vor allem die aelteren Leute, die keine Arbeit und keine Schulbildung haben. Gottseidank ist jetzt Schulpflicht fuer alle und das macht sich auch schon bemerkbar. Unsere Freunde hier wohnen in einem parkaehnlichen Vorort von Richards Bay mit nur Villen. Dort wohnen gutsituierte Schwarze und Weisse problemlos miteinander. Entsprechend ist auch die gigantische Einkaufsmall vom Feinsten. Fast alles ist zu haben. "Fast" deshalb, weil ich immer noch auf der Suche bin nach Gruenkohl fuer Neujahr. Fuer Weihnachten habe ich Gundelsheimer Rotkohl erstanden, der zum Springbockfilet sehr gut passt. Nur die Weihnachtsgefuehle fehlen immer noch bei 35 Grad und strahlend blauem Himmel. Dabei haben wir gestern bei schwedischen Segelfreunden Julklap gefeiert mit Tannenbaum, Gluehwein, Stutenkerl, Nuessen und Singen von Weihnachtsliedern. Hat nichts genuetzt. Trotzdem freuen wir uns auf die Bescherung in 2 Stunden. Unter unserem kleinen Weihnachtsbaum liegen in diesem Jahr ein paar Geschenke.

Euch auch viele Geschenke, ein schoenes Weihnachtsfest und guten Rutsch

wuenschen die Truanten

 

 

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