Liebe Familie. liebe Freunde,

mehrmals schon hatten wir Abschied von unseren Freunden in Richards Bay gefeiert, aber immer passte das Wetter noch nicht zum Weitersegeln. Auf die Wettervorhersage ist kein Verlass, sie aendert sich alle paar Stunden. Also vertreiben wir uns die Zeit und lassen es uns gut gehen. Gehen lecker Essen mit unseren vier Freunden und halten taeglich ein Schwaetzchen mit unserem Zulu-Freund Xulani. Dabei erfahren wir, dass er eine elendig lange Strecke mit Bus und zu Fuss bewaeltigen muss, um zur Arbeit in die Marina zu kommen. Spaet nachts kommt er nach Hause und sieht seine Familie unter der Woche kaum. Wir ueberlegen, wie man ihm ein wenig helfen kann und muessen an die vielen Mopeds in Asien denken. Das waere auch was fuer Xulani und er waere in einer halben Stunde zuhause. Und wie der Zufall es will, steht ein kleines Motorrad in der Marina zum Verkauf. Wir erfragen den Preis, druecken ihn ein wenig, sprechen mit Xulani, ob er die Haelfte aufbringen kann, dann zahlen wir die andere Haelfte. Gesagt, getan. Nun ist Xulani stolzer Motorradbesitzer und zaehlt in seinem Dorf, wie er uns erzaehlte, "zu den hoeheren Zehntausend". Welch eine Freude auch fuer uns. Taeglich uebt er und hat sich auch schon lang hingelegt. Der Grund: Der Tacho geht bis 150 km/h und die wollte er rausholen. Wir erklaeren ihm, dass er nicht mehr als 100 km/h fahren darf. Er verspricht es, schliesslich hat er Familie, eine Frau und 3 kleine Maedchen.

Aus ein paar Wochen Richards Bay ist ein Vierteljahr geworden. Wir nehmen einen neuen Anlauf zum Abschiednehmen von Nan und Arie, Betsie und Nardus und diesmal kommen wir tatsaechlich los. Das Wetter haelt einen Tag gerade bis Durban, bleiben 2 Tage vor Anker dort und weiter geht es Richtung East London. Genau in der Mitte zwischen Durban und East London werden wir im Agulhas Strom von einem dieser gefaehrlichen Suedwester ueberrascht. Schnell raus aus dem Strom und dicht unter Land. Zwoelf Stunden liegen wir bei, dann dreht der Wind zurück und es geht weiter.

Die Marina von East London liegt in einem Fluss. Ein trauriger Anblick sind die rotten Anlandungsmoeglichkeiten. Die kleine Marina hat nur freitags offen. Wir koennen nicht mal duschen oder ein Bier trinken. Die Polizei warnt, dass es zu gefaehrlich ist zu Fuss in die Stadt zu gehen. Also mit dem Taxi zur Mall einkaufen und schnell zurueck aufs Boot. Drei Naechte und weiter geht´s, möglichst über Port Elizabeth hinaus gleich nach Mosselbay oder noch weiter, wenn der Wind passt.

Ca. 30 nm hinter Port Elizabeth kriegen wir Wind auf die Nase und stampfen uns fest. Umkehren und rein in die Marina von Port Elizabeth. Sehr nette Leute nehmen uns in Empfang. Wir lernen ein deutsches Ehepaar kennen, das seit den 50ziger Jahren dort wohnt und sich ruehrend um Segler kuemmert. Uebrigens gibt es dort fuer Frauen die schoensten Duschen, die ich seit Jahren hatte und das Marina-Restaurant ist lebendig wie kein anderes. Jeden Abend voll, gutes Essen und lecker Bier. Gleich am ersten Abend lernen wir wieder, wie soll es anders sein, ein sehr nettes Paerchen kennen, das uns zum Einkaufen faehrt und zum Grillen einlaedt. Es ist unglaublich, wie nett und aufgeschlossen die Suedafrikaner sind. Im Verlauf unseres Aufenthaltes in Port Elizabeth zeigen sie uns die Stadt, schoene kleine Eckkneipen (wie Studentenkneipen bei uns zuhause) und wir verlieben uns immer mehr in dieses Land. Waeren die politischen Verhaeltnisse stabiler, hier wuerden wir gern bleiben.

Aber wir bekommen auf andere Weise einen laengeren Zwangsaufenthalt. Ein Motorboot neben uns in der Box hat sich in stuermischer Nacht losgerissen und Truant an der ganzen Steuerbordseite beschaedigt. Muss sofort repariert werden, weil der Schaden bis aufs Stahl runter geht. Gutachter muss her, eine Malerfirma, die am Steg arbeiten kann und der Eigner des Motorbootes muss zahlen. Er ist eindeutiger Verursacher. Nur da haben wir die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der Eigner ist Grieche und denkt nicht daran zu bezahlen. Wir bleiben also auf der Rechnung sitzen und muessten das Geld einklagen. Die Polizei kuemmert sich nicht um sowas. Dazu eine nette Anekdote von unseren afrikanischen Freunden. Ein Freund von ihnen wurde von einem Einbrecher heimgesucht und er rief die Polizei um Hilfe. Leider hatte die im Moment kein Auto zur Verfuegung. Er rief dann nochmal an und sagte, er habe den Einbrecher erschossen und schon kamen innerhalb von Minuten mehrere Polizeiautos. Nur so kann man diese Berufsgruppe motivieren. Und in unserem Fall mit dem Griechen tun wir uns auch kein Gerichtsverfahren an.

Von Port Elizabeth aus mieten wir ein Auto und treffen uns mit Freunden aus der Heimat, die eine Suedafrika-Rundreise machen, in Knysna, einem richtig schoenen Seebad. Einen Nachmittag und einen Abend haben wir Zeit fuereinander, viel zu erzaehlen und sind gluecklich, uns hier zu sehen. Sie reisen weiter in Richtung Kapstadt und wir jockeln gemuetlich die wunderschoene Gardenroute zurueck.

Irgendwann ist Truant wieder lecker aufgemoebelt, das Wetterfenster passt und wir nehmen die zwei Kaps in Angriff. Zuerst das beruechtigte Kap Agulhas und dann das Kap der Guten Hoffnung. Ade Indischer Ozean! Endlich wieder in "heimatlichen Gewaessern", im Suedatlantik. Keine verquerte hohe See mehr und keinen Agulhas Strom.

Mit Eskorte von Seehunden und -loewen laufen wir in die Schickimicki-Marina Victoria & Alfred Waterfront ein. Sie liegt direkt in der Stadt unter dem Tafelberg. Ein erhabener Anblick in der Morgensonne. Um uns rum  haben wir alles, was das Herz begehrt. Die Stadt ist sehr interessant und wunderschoen. Mir kommen aber alle Metropolen dieser Welt, die ich gesehen habe, ziemlich gleich vor. Sie haben nichts mit dem Ursprungsland gemein. Zwei Wochen Vergnuegen, Besuch des Tafelbergs, Stadtrundfahrten und Besuch aus Richards Bay von unseren Freunden. Mit ihnen fahren wir, vorbei an den vielen Townships rund um Kapstadt, mit seinen zusammengezimmerten kleinen Haeuschen aus Wellblech, Plastik und allem, was man auf der Strasse findet, in das Weingebiet um Stellenbosch. Die Gegensaetze koennen nicht groesser sein. Hier Slums mit bitterer Armut und dort satter Reichtum bei den weissen Winzern. Es wird noch Generationen dauern, bis die Kluft einigermassen aufgehoben ist. 

Unsere Reise muss endlich weiter gehen. Es wird kalt hier, der Winter steht vor der Tuer und Namibia mit seiner Waerme winkt. Nachdem ich bis vor zwei Tagen illegal im Land war, meine Unterlagen waren verloren gegangen, geht die Ausklarierung problemlos vonstatten. Unser Pass hat keinen Aufenthaltsverlaengerungsstempel, wir haben nur eine entsprechende email von Pretoria bekommen. Sowas hatten die noch nie, aber ein Anruf in Richards Bay bei Sharon, der Chefin und alles ist klar. Weil wir wegen der Widrigkeiten unserer Aufenthaltsgenehmigung staendig in Kontakt waren, darf Uli die Chefin inzwischen mit dem Vornamen anreden. Mir wollte sie, falls ich als Illegale in den Knast komme, taeglich Essen bringen. Gute Aussichten.

Wir haben also ausklariert und sind fit fuer den Trip nach Namibia. Raus aus der Victoria & Alfred Waterfront Marina, durch die zwei Bruecken, an Robben Island vorbei, Segel setzen und Autopilot rein. Und was macht unser "Dritter Mann"? Zicken. Er haelt den Kurs nicht, laeuft staendig aus. Wir muessen nicht lange ueberlegen, denn ohne unseren Autopiloten brauchen wir keine lange Reise anzutreten. Alles kehrt und wieder rein in die Marina von Kapstadt. Es ist Wochenende und das Organisieren geht los. Fachmann besorgen fuer den Autopiloten, Kontakt nach Australien zur Herstellerfirma aufnehmen und wieder einklarieren. Wenn wir denn nochmal einklarieren koennen. Unsere 6 Monate, die man im hoechsten Fall bekommt, sind abgelaufen. Wir wissen von anderen Seglern, die danach keine Verlaengerung bekommen haben. Irgendwo schlaegt sowas immer auf den Magen. Und dann haben wir Glueck. Es ist kurz vor Ostern, niemand der Immigrationsleute hat noch so richtig Lust zu arbeiten. Da bei uns vorher sowieso alles ein wenig kompliziert war, machen sie es sich einfach und geben uns kurzerhand erneut 3 Monate. Der naechste Weg fuehrt zum Customs und wieder treffen wir auf Beamte, die eigentlich schon gar nicht mehr so richtig im Dienst sind. Es ostert sehr. Ohne unseren Pass anzusehen, bekommt Truant eine neue sechsmonatige Aufenthaltsgenehmigung. Nach 5 Minuten sind wir wieder draussen und happy. Andere Segler kriegen einen Klaps, als sie von unserem Glueck hoeren. Dafuer sitzen wir ueber Ostern auf einer Baustelle. Alle Ecken im Salon muessen frei gemacht werden fuer den Neueinbau unseres "Dritten Mannes". Wandverkleidungen haengen offen, um Kabel zu ziehen, Taue liegen rum und es zieht, weil auch draussen an den Instrumenten gearbeitet werden muss. Eine Woche geht es so und zwischendrin muessen wir raus aus dem Hafen und 6 Stunden Runden drehen zum Kalibrieren. Anlegen, Ablegen, durch die Bruecken und wieder rein. Alles reine Nervensache fuer mich. Aber die Autopilot-Spezialisten sind super. Sie sind ueber Ostern jeden Tag da und betreuen uns ganz lieb. Beim letzten Seetest klappt alles und wir feiern alle zusammen unseren neuen dritten Mann. Noch einmal bunkern und es kann weitergehen.

Eure Truanten