Liebe Landratten,

wir sind auf dem Weg in Richtung Heimat, der Stallgeruch kommt näher. Namibia und damit Afrikas Festland verschwindet am Horizont. Die Ueberfahrt nach St. Helena ist fast eine Kaffee-Fahrt, pures Rentnersegeln. Aber nur fast, die Temperaturanzeige des Motors ist kurz nach dem Starten bereits am Anschlag, aus dem Auspuff kommt kein Wasser mehr. Fuer uns heisst das, wir muessen bei wenig Wind und 3 Tagen Flaute das Schlingern und Geschaukel ohne Motorunterstuetzung aushalten. So wird die Reise doch zur Nervensache bis direkt vor die Moorings von St. Helena, dann Motor kurz an und die Boje geschnappt. Erstmal nach 15 Seetagen ausruhen.

Ausgeschlafen staunen wir morgens nicht schlecht ueber die schroffe, kahle und wenig einladende Kulisse. Die Behoerden kommen an Bord zum Einklarieren. Mit diesen netten Leuten wird die Insel gleich freundlicher. Sie nehmen uns mit im Wassertaxi an Land in die kleine Hauptstadt Jamestown. Die liegt in einer engen Schlucht und wird durchzogen von zwei Hauptstrassen mit relativ viel Gruen. Nach dem kahlen Namibia eine Augenweide. Eine niedliche kleine Stadt, in der uns jeder Insulaner, selbst der Autofahrer gruesst.

Vor der Inselerkundung ist erst mal der Motor dran. Kopfueber bei pullender Hitze und Schwell vom Feinsten tropft der Schweiss nur so in den Maschinenraum. Es dauert, bis wir den Uebeltaeter eingekreist haben. Es ist der Auspuffsammler, der kein Kuehlwasser mehr durch laesst. Der Ausbau des schweren gusseisernen Kastens ist kompliziert und schwierig, aber wir sind ja nach 10 Jahren auf uns selbst gestellt zwei taffe Seeleute, die mittlerweile alles irgendwie hinkriegen. Der Kasten muss aufgeflext und von einer halben Kohlenschaufel voll Schlacke befreit werden, die sich im Laufe der Jahre angesetzt hatte. Niroplatte gut abgedichtet drauf und wieder eingebaut. Nun laeuft Truants Motor wieder rund und spuckt mehr Kühlwasser denn je. Hat uns mehrere Tage Arbeit gekostet. Es waere schlimmer gewesen, wenn wir von irgendwoher ein Ersatzteil hätten besorgen muessen, denn es gibt auf der Insel noch keinen Flugplatz. Er soll 2015 fertig werden. Wir sind am Ende der Welt angekommen, das an der Nabelschnur eines einzigen Versorgungsschiffes aus Kapstadt haengt. Aber selbst hier treffen wir einen Jeveraner, einen Augenarzt, der 6 Wochen im lokalen Krankenhaus hospitiert. Kleine Welt!

Nach der Arbeit kommt jetzt das Vergnuegen. Eine Inselrundfahrt ueber einspurige Strassen ins erstaunlich gruene Oberland. Ausser dem Verbannungsort Napoleons oben in Longwood gibt es eigentlich keine Besonderheiten. Eine verschlafene Insel ohne Strand, ohne Mobilfunk und ohne unruhige Weltpolitik-Nachrichten. Aufregung gibt es nur, wenn die riesigen Walhaie an der Insel vorbeiziehen. Fuer den einen paradiesisch, fuer den anderen ein Albtraum. Uli der Suchtbolzen beispielsweise spielt jetzt nur noch zwanghaft Sudoku auf seinem schlauen aber sonst derzeit ohne Internet nutzlosen Smartphone.

Wir sind jeden zweiten Tag in der Stadt und froenen unserer Hauptbeschaeftigung, der Nahrungssuche. Der zwar reichliche Bordproviant darf wegen der bevorstehenden langen Weiterreise nicht angebrochen werden. Wollen noch etwas bleiben, da es nördlich des Äquators noch zu kühl ist.

Die Regale im Supermarkt sind sehr spaerlich bestueckt und wenn man etwas von der neuen Schiffslieferung gebrauchen kann, muss man es sofort einsacken, denn am naechsten Tag ist es garantiert weg. Wie die Packesel kommen wir dann am Wassertaxi an, das uns wieder zu Truant rueberfaehrt. Mit dem eigenen Dinghi kann man nicht anlanden wegen des Schwells.

Um die vielen kleinen Laeden in Jamestown ausfindig zu machen, muss man die Insulaner genau beobachten und verfolgen. Verschwinden sie in einem Haus und kommen mit Tuete wieder raus, verbirgt sich zu 99 % ein kleiner Laden dahinter. Oft gibt es nichts fuer unseren verwoehnten Gaumen zu kaufen, da man sich hier rustikal englisch meist mit Bohnen in Tomatensosse und Chips verkoestigt. Manchmal landet man auch einen Glueckstreffer und bekommt etwas, aber wirklich nur etwas frisches Gemuese. Zur Zeit sind Kartoffeln out. Wir rennen uns die Hacken danach ab, bis jemand uns zufluestert, wo wir evtl. fuendig werden koennten. Und tatsaechlich werden 5-6 Kilo "unter dem Ladentisch" zugeschoben. Das gleiche Spiel mit nicht vorhandenen Eiern. Nirgends zu kriegen, bis ich sehe, wie die Einheimischen "unter dem Tresen" oder im Nebenzimmer bedient werden. Nach einigem Zoegern dürfen wir uns in ein Lieferbuch eintragen. Bei der zweiten Nachfrage bekommen wir dann doch tatsaechlich 12 Eier. Ähnliches beim Fleischer.

Morgen sind uns nochmal ein paar Kilo Kartoffeln zugesagt, wohlgemerkt zugesagt. Wollen hoffen, dass das Versprechen eingehalten wird und wir fuer den nächsten Schlag nach Ascension oder gleich zu den Kapverden gut versorgt sind. Die Strecke ist lang. Nach Ascension 700 nm und gleich nach Kapverden 2.300 nm. Denkt dann an uns 
zwei einsame Segler im riesigen Süd-Atlantik und schickt uns gute Winde.

Hol ji huedelig!